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NABU: Fast jede zweite Vogelart Europas muss besonders geschützt werden

Berlin (ots) – Anlässlich des ersten europäischen „Natura 2000“-Tags hat die NABU-Dachorganisation BirdLife International eine Liste aller europäischen Vogelarten veröffentlicht, die als schutzbedürftig gelten. Demnach befinden sich 44 Prozent aller Vögel in Europa in einem schlechten Erhaltungszustand.

Gleichzeitig benennt die Liste für alle Länder Europas jene Arten, für die sie besondere Verantwortung tragen. Deutschland muss sich demzufolge stärker für den Schutz des weltweit gefährdeten Rotmilans einsetzen, mehr als die Hälfte aller Rotmilane lebt hierzulande. Sehr hohe Verantwortung kommt Deutschland auch beim Schutz der global bedrohten Wiesenvogelarten Austernfischer (neun Prozent des europäischen Bestandes), Kiebitz (vier Prozent) und Uferschnepfe (drei Prozent) zu.

„Unsere Vögel sind gute Indikatoren, um zu erkennen, was in der Entwicklung unserer Natur schief läuft. Um viele Arten müssen wir uns inzwischen große Sorgen machen, auch die Gesamtzahl der Vögel nimmt europaweit ab“, sagte NABU-Präsident Olaf Tschimpke.

Die neue Liste der schutzbedürftigen Arten sei daher als klarer Auftrag an die Politik zu verstehen. „Wir brauchen eine deutlich bessere Planung und Auswahl von Standorten für Windkraftanlagen, um den Rotmilan zu schützen. Und wir brauchen ein grundlegendes Umsteuern in der EU-Agrarpolitik, damit Wiesenvögel wie der Kiebitz eine Chance zum Überleben haben und ihre Lebensräume, vor allem Feuchtwiesen, erhalten bleiben“, so Tschimpke.

Die Liste von BirdLife dient der Ergänzung der Roten Liste der Brutvögel Europas. In ihr sind 13 Prozent der europaweit vorkommenden Vogelarten als vom Aussterben bedroht aufgeführt. Ergänzt hat BirdLife nun auch alle weiteren stark abnehmenden, nur noch in kleinen Restbeständen vorkommenden oder von Natur aus extrem seltenen Vogelarten. Damit müssen fortan 44 Prozent aller 541 Vogelarten Europas als besonders schutzbedürftig gelten.

Neben dem Rotmilan und Wiesenvögeln kommt Deutschland auch für hierzulande überwinternde Arten eine sehr hohe Verantwortung zu. „Unsere Küstengewässer an Nord- und Ostsee sind europaweit die wichtigsten Überwinterungsgebiete gefährdeter Seevögel, wie Ohrentaucher, Eisente, Samtente und Eiderente“, so Tschimpke. Auch das Wattenmeer sei für Watvögel wie Austernfischer, Große Brachvögel und Knutts überlebenswichtig.

„Mit Blick auf Nord- und Ostsee ist es erschreckend und unverständlich, dass Deutschland es bislang offensichtlich nicht schafft, seine Meeresschutzgebiete angemessen zu schützen. Aktuell stehen wieder empfindliche Aufweichungen bei den deutschen Meeresschutzgebieten im Bundestag zur Debatte“, so Tschimpke. So könnten künftig die Ministerien für Landwirtschaft, Wirtschaft, Verkehr und Forschung ein Vetorecht bei der Umsetzung von Schutzgebieten erhalten. Der NABU-Präsident appellierte an die Bundestagsabgeordneten, sich gegen diese möglichen Änderungen im Bundesnaturschutz auszusprechen.

Die aktuell vorgelegte Liste ist die dritte Bewertung dieser Art. Waren 1994 noch 38 Prozent aller Vogelarten als schutzbedürftig eingestuft worden, standen 2004 bereits 43 Prozent auf der Liste, nun fast 44. Dies ist auch ein deutliches Zeichen dafür, dass die EU ihr eigenes Ziel, die Zahl ungefährdeter Vogelarten bis 2020 im Vergleich zu 2004 um die Hälfte zu erhöhen, deutlich verfehlen wird.

Der europäische „Natura 2000“-Tag findet am 21. Mai erstmals offiziell statt, es ist zugleich der 25. Jahrestag der Fauna-Flora-Habitat-(FFH-)Richtlinie der EU. Mit ihr will die EU wildlebende Arten, ihre Lebensräume und die europaweite Vernetzung dieser Lebensräume sichern. Teil dieses EU-weiten Schutzgebietsnetzes sind auch die europäischen Vogelschutzgebiete.

„Die Auswertung zeigt einmal mehr, dass die EU-Naturschutzrichtlinien und die Vogelschutzrichtlinie für einen effektiven Schutz seltener Vogelarten sorgen. Beispielsweise Seeadler, Wanderfalken oder Schwarzstörche haben in den vergangenen Jahrzehnten stark vom Schutz durch die EU profitiert. Doch die Richtlinien haben keinen ausreichenden Einfluss auf Vogelarten außerhalb von Schutzgebieten, wie etwa in der Agrarlandschaft. Hier greifen andere Mechanismen, etwa die derzeitige Agrarpolitik, und wirken zum Teil massiv gegen den Schutz von Vogelarten“, so NABU-Vogelschutzexperte Lars Lachmann.

Quelle: NABU

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